SEELENWEISS

 Wenn es still wird, rundum, wird Platz frei für die tiefsten Fragen des Lebens. Allesamt gebettet im Seelenweiß des ureigenen Seins. Allesamt getüncht vor geraumen Zeiten voll der Hektik und des Getriebenseins in wüstenhaft grauen Bereichen. 

Wenn es still wird, rundum, werden Schreie laut, nach Antworten flehend. Nach Lösungen winselnd und um Erlösung bittend. Allesamt gebettet im wolkig dunkelweißen Eigengrau. Allesamt windverweht, immer und immer wieder. Altschneefelder hinterlassend, öde Reliefs formend – monochrom langweilig, reizlos matt, eintönig stumpf. 

Wenn es still wird, rundum, stehen ureigene Lebensgeister vor spurlosem Terrain, verwischten Segmenten, abgelebten Gefilden. Allesamt suchend den Lauf der Zeit auf gefrorenen Landkarten, auf unbunten Spielflächen, auf Raureif, harschig, massig, firnig. Vergessen gewesene Tage, verflossene Pracht, verbrauchte Poesie in Weiß. 

Einzig Relikte der Seele trachten nach dem farbenreichen Farbenreich. Nach ehemaliger Buntheit. Nach silbergrauem Geblinke. 

Dessen ungeachtet, übrig geweißte Welten voll matschig sulziger Lethargie und dunkelweißer Apathie. 

Doch zweifelsohne, wenn alles still, rundum, schälen sich lebendiger denn je Seelen aus dem Korsett der Daseinsenge, queren den lichtgrauen Triebschneeteppich der verwischten Spuren und erkennen, im hellsten Licht, zwischen Schwarz und Weiß, wo der Horizont weit und das Leuchten in seiner Gesamtheit die Vollkommenheit berührt: Genau dort findet Leben statt. 

Mit Augenblicken, die heimkommen. Von der Natur verführt. Mit ihrem endlosen Panorama, mit Szenen jeder erdenklicher Tiefe. Mit lebendiger Fülle im Nichts. 

In ihrer ganzen Zerbrechlichkeit, zudem betont unbetont, erlöst das Licht, Meister der Hoffnung, jegliches Geisterweiß. Macht die Ewigkeit zum greifbaren Ort. Macht das unsichtbare Wesentliche sichtbar. 

Dieses Weiß, des Menschen Glück. 

Denn im leuchtenden und wallenden Weiß, dem Dunkel trotzend und eine Explosion von Helligkeit und Licht tagtäglich provozierend, kann, gebettet in wattig weichem Seelenweiß, geführt vom Eigenlicht des ewigen Seins, wenn es still wird, rundum, tiefliegende Sehnsucht erfüllt, erhellt, erhört werden. 

Welch erlösende Pracht. 
Lichtschön. 
Rundum.